Montag, 1. August 2016

Das Vorbereitungsseminar - Rückblick

Wer kennt es nicht? Die Aufregung für das Jahr im Ausland steigt, pegelt sich ein und plötzlich ist es wieder vergessen. Und das in einer ständigen Schleife. Ich denke jeder macht diese Phase vor dem Jahr durch und viele schaffen es durch das Vorbereitungsseminar darüber hinaus. Damit ihr nachvollziehen könnt wie man sich bei dieser Bewältigung fühlt fasse ich mal die unglaublichen 10 Tage des Vorbereitungsseminars zusammen.

Es ist 4:20 und mein Wecker klingelt mich aus dem 3 Stundenschlaf. Ich erinner mich noch genau, wie ich am Vorabend meinen Rucksack gepackt habe, die Listen für das Seminar noch einmal durchgegangen bin und schließlich alle nötigen Papiere und meinen Laptop eingepackt habe. Ach ja und ganz wichtig für die Fahrt war es natürlich auch den nötigen Proviant am Vortag zu machen, da ich weiß, wie wenig man an diesem Morgen motiviert ist solche Dinge zu erledigen. 4:30 war ich dann aufgestanden und bereit mich den Anforderungen des Tages zu stellen. Ich packte die letzten nötigen Sachen ein, schrieb mit Henryk (jemand der mit mir fährt) und machte mich dann so langsam auf den Weg zum Zug. Ich ging nochmal alles im Kopf durch und vergewisserte mich, dass ich meine Fahrkarte dabei hatte ... und schließlich stand ich in der S-Bahn Richtung Dresden Neustadt. Auf der Fahrt von Dresden Neustadt nach Frankfurt a.M. war nichts besonderes los, außer das ich ein paar sehr nette Menschen getroffen habe, mit denen ich quatschen konnte. Von Frankfurt a.M. nach Karlsruhe jedoch hatten sich ein paar Menschen entschieden auf den Gleisen zu stehen, weshalb wir mit 15 Minuten Verspätung einfuhren. Pünktlichkeit ist eine Zier, welche die Bahn bis ins kleinste Detail beherrscht. Wir kamen mit dem Anschlusszug genau in der gleichen Sekunde an. Wäre da nicht Henryk gewesen, der schon im Voraus mit mir abgesprochen hatte, dass wir uns in dem Zug treffen, hätte ich den Zug sehr wahrscheinlich verpasst. Also spurtete ich los mit über 20kg baumelndem Gepäck auf dem Rücken ... den Bahnsteig lang ... die Rolltreppe runter mit vollem Gepäck und einen Mann anrempelnd und schließlich auf der anderen Seite total außer Atem hoch gerannt. Henryk stand in der einzig offenen Tür und ich rannte mit einem breiten Grinsen auf ihn zu. Hinter mir hörte ich noch weitere Leute kommen und wir hielten die Tür solange auf. Eine Person stach ins Auge: großer, prall gefüllter Rucksack und mit einem herzlichen Lachen im Gesicht als ich fragte, ob sie auch zu den Freunden wolle. Wir tranken erstmal was auf diese kurze Tortur und kamen dann demnächst ins reden über Gott und die Welt. So fuhren wir als Dreiergespann durch den Schwarzwald bis nach Freudenstadt. In Freudenstadt trafen wir auf die nächsten Freunde die den Weg zur Jugendherberge suchten und gemeinsam fragten wir jemanden, der uns am Ende nur die Strasse hoch schickte und dann waren wir da. Wir wurden ganz herzlich begrüßt und sofort teilten wir uns auf die Zimmer auf, planten die Abwaschliste und trugen ein paar Workshops ein, welche wir anbieten würden. Nachdem unsere Zimmer bezogen waren holten Henryk und ich unsere Kamera raus und machten Bilder von Neuankömmlingen, Bastelnden und den Teamern. Außerdem bastelten wir auch unsere eigenen Namensschilder für das Seminar, damit die Verständigung um einiges erleichtert werden würde. Nach der Stärkung, die uns durch die Jugendherberge zur Verfügung gestellt wurde, durch Kaffee und Kuchen trafen wir uns alle im Gandhi-Raum (der größte Seminarraum der Jugendherberge). Jeder der 60 Teilnehmer stellte sich nochmal mit der Einrichtung und seinem eigenen Namen vor. Nun hatten wir alle einen groben Überblick, die Woche wurde so gut wie möglich vorgeplant und die erste Info, dass wir am nächsten Tag wandern gehen würden wurde verkündet. In der großen Runde bekam jeder ein nützliches Geschenk, dass jemand anderes mitgebracht hatte und wurden auf diese weise in die 'liebevollen Kleingruppen' eingeteilt (insgesamt 4). Wir gingen essen und uns unterhalten und um 21:30 trafen wir uns wieder im Gandhi-Raum zur Sternstunde. Wir bekamen wieder Informationen wie das Seminar geregelt sein würde und danach wurden Kerzen angezündet und die Lichter gelöscht. Da saßen wir nun in einem von Kerzenschein belichteten Raum voller neuer Menschen, welche alle aus einem Grund hier zusammen trafen: wir wollen uns im Ausland mit Erfahrung bereichern und dabei völkerverständigend wirken. Und dies ist kein leichtes Unterfangen, welches unüberlegt angetreten werden kann. Am Ende dieses Tages wurden wir aufgefordert in unsere Arbeitsbücher einen Tagesrückblick zu schreiben und wir sangen noch ein skandinavisches Abschiedslied: Vem kan segla.
Ich fahre in einem gerade fast leeren ICE
So wird man auf dem Seminar begrüßt
Am nächsten Tag waren fast alle um 7:30 in ihren Workshops um sich gut auf den Tag vorzubereiten. Manche gingen joggen, andere sangen, ein paar machten Impro-Theater und wieder andere Freeletics. Nach dieser Aufwachphase stärkten wir uns für den Tag und stiegen in unsere Wanderklamotten, denn heute sollten wir durch den Schwarzwald wandern und dabei verschiedene Aufgaben erledigen, wie z.B. unsere Nähe und Distanz zu anderen Personen herauszufinden und klar zu artikulieren. Gegen Mittag fing es dann an zu regnen und wir flüchteten uns nach einiger Suche unter ein Carport bis der Regen aufhörte. Kaum war die Sonne raus gingen wir zur nähsten Wanderhütte um uns dort über unsere Anforderungen, unseren Befürchtungen und Zielen für das Auslandsjahr im klaren zu werden. Durch die mangelnde Motivation durchnässt in der Jugendherberge anzukommen sind wir lediglich zur S-Bahn-Station gelaufen und nahmen den sicheren Zug. Im trocknen lässt es sich doch besser denken ... Wir wuschen, trockneten und wärmten uns. Danach trafen wir uns wieder in der Kleingruppe und besprachen was wir uns aufgeschrieben hatten.
Und wir schützen uns unterm Carport
Im Verlauf des nächsten Tages bekamen wir einen Einblick in die gewaltfreie Kommunikation und damit verbunden in verschiedene Ansichten über die Persönlichkeit eines Menschen (natürlich sehr auf Rudolph Steiner basiert). Wir erfuhren was wir die nächsten Tage machten und jagten einem goldenen Schatz hinterher. Ein paar gingen in die nahegelegene Waldorfschule, andere in einen Kindergarten, die nächsten in ein Camp und Henryk und ich besuchten den etwas weiter entfernten Demeterhof HofBauernHof (http://www.hofbauernhof.org/titel/index.php). Dort lernten wir was es bedeutet auf dem Feld zu stehen und sein Essen herzustellen. Unkraut jähten, düngen und Tiere versorgen. Aber auch, was es bedeutet in einer Gemeinschaft zu arbeiten und jede Arbeit so gut wie möglich auf alle zu verteilen, sodass niemand überlastet ist. Dieses kleine Praktikum war eine sehr gute Auszeit von dem Trubel aus der Jugendherberge und wir hatten dort Zeit alles was wir die Tage über erlebt hatten zu verarbeiten, Zurück in der Jugendherberge war es genau umgekehrt: wir stemmten uns der immerwährenden Frage wie es auf dem Bauernhof war und was wir erlebt hätten. Die nächsten Tage vergingen wie im Flug: wir hörten 2 Tage lang etwas über Rudolph Steiner und seine Lebensphilosophie, wurden über die medizinischen Tücken in unseren Ländern aufgeklärt und eine Freundearbeiterin stand uns Rede und Antwort bei all dem ganzen Papierkram den wir erldigen müssen. Einige FSJler bereiten kleinere Präsentationen vor und so lernten wir mehr über indisches Essen und die Trolle aus Skandinavien. Auch der Orientierungslauf durfte dabei nicht fehlen. Und so gelangten wir schließlich wieder zu einer kleineren Wanderung am letzten Mittwoch, wobei wir uns in unseren Kleingruppen gegenseitig ein Feedback gaben, wie wir uns erlebten und was wir uns für das Jahr wünschten. Am Abend haben wir dann eine wunderschöne Abschiedsfeier veranstaltet und ein paar haben die Nacht bei leichtem Regen draußen auf der Wiese unter einer großen Plane übernachtet.
Wir wurden 10 Minuten vor 6 Uhr von den ersten Vögeln und Sonnenstrahlen geweckt. Wir machten uns dann frisch und gingen frühstücken um die letzten Stunden mit den Anderen genießen zu können. Der Abschied fiel so wirklich niemandem leicht, obwohl wir uns gerade erst 10 Tage kannten ... und nach gefühlten 2 Stunden umarmen, singen und sich gegenseitig Trost zu sprechen lösten wir uns in alle Himmelsrichtungen auf.
Direkt 14:27 fuhr mein Zug aus Freudenstadt aus um eine 9 Stunden Reise mit Klara auf mich zu nehmen um wieder in Dresden an zu kommen (natürlich hatten wir auch hier Verspätung, allerdings verpassten wir dadurch unseren Anschluss-ICE). Zuhause angekommen fiel ich total überwältigt, glücklich und kulturgeschockt von der Kleinstadt Meißen in mein Bett und schlief bis in die späten Morgenstunden.
Und hier sieht man die gesamte Truppe Freiwilliger