Samstag, 16. Januar 2016

Das Orientierungsseminar


Es ist nun viel Zeit vergangen und es hat sich inzwischen ein bisschen was getan. Ich habe mein Orientierungsseminar jetzt abgeschlossen und bin um einige Erfahrungen gewachsen, die ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können. 
Es ist Donnerstag Abend und ich gehe im Kopf nochmal die Liste durch: Zahnputzzeug, Handtuch, Unterhosen, Hemd, Schlafsack, Kraxe, T-Shirt, Sportzeug, Medizin, ein Buch von Fintelmann, Schulzeug zum Lernen, Ladekabel und das Akkupack für mein Smartphone. Hab ich irgendwas vergessen? Ich gehe nochmal in mich ... das Geld für die Fahrt fehlt noch ... Proviant ist auch nicht da ...  Okay. Ich denke ich hab alles zusammen. Mit einer vollen Kraxe geht es dann aus dem Haus um in Dresden zu übernachten und am nächsten Morgen früh den Sportunterricht noch mit zu machen. In der Bahn bekommt man flüchtige Blicke zugeworfen und in der Schule wird gefragt wo es denn hinginge und ob man in der Schule übernachten möchte. Die Antworten sind vom Inhalt her identisch: ich übernachte am Wochenende in der Parzival Schule in Karlsruhe - eine Waldorfschule. Man konnte schon auf die nächste Frage, warum man dort hin ginge, warten. Geduldig erklärte ich jedem immer wieder, dass ich ein FSJ im Ausland machen will und ich dafür ein Orientierungsseminar brauche. Verschwitzt und mit fusseligem Mund komme ich aus dem Sportunterricht und platze fast vor Vorfreude auf das Seminar. Ich steige in die Straßenbahn zum Bahnhof ein und mache sofort Bekanntschaft mit einem jungen Erzieher, der gerade die Waldorfpädagogik studiert hat und freut sich, dass es weiterhin junge Menschen gibt, die sich dafür interessieren. Schließlich steh ich in der Bahnhofshalle vom Dresdner Hauptbahnhof und fühle mich als hätte ich was vergessen. 

Ich hab nichts vergessen. Im Bahnhof warte ich fast eine Stunde und spreche mich via Whatsapp mit meiner Mitfahrerin Ann-Kristin ab wie wir noch jemanden finden können der mitfahren will. Ich spreche so einige fremde Gesichter an und schließlich hab ich jemanden an der Angel. Stefan muss über Hof nach Nürnberg und von dort nach Hause. Wir freunden uns an und wir treten eine wirklich sehr schöne und entspannte Reise durch ein verschneites Deutschland an. Wir steigen in Hof nach Nürnberg um; haben auf der Strecke genug Verspätung um unseren Anschlusszug zu bekommen und nehmen in Nürnberg einen anderen nach Würzburg, der eher ankommt als der Anschlusszug. Von Würzburg geht es dann nach Bietigheim-Bissingen und weiter nach Karlsruhe. In der Bahn nach Karlsruhe ruft mich meine Schwester an um mir etwas mitzuteilen und ich erwähne das Ori. Eine bisher stille Person neben uns wird hellhörig und spricht uns an ob wir auch zu den Freunden wollen. 

Wir haben Laura kennengelernt. Da wir alle drei keine Ahnung haben wie wir zur Jugendherberge kommen suche ich mit dem Handy eine Verbindung raus, aber wo müssen wir raus aus dem Bahnhof? Natürlich laufen wir in die komplett falsche Richtung und landen bei den Fernbussen statt bei den Straßenbahnen. Unterwegs zur Juhi sehen wir einige Möglichkeiten um nachher noch Abendbrot zu essen ... Schließlich sind wir da. Nur wo ist der Check-in? Niemand steht am Empfang und wir warten fast eine halbe Stunde. Irgendwann fällt uns ein Knopf auf unter der Theke wo man klingeln muss. Kaum haben wir geklingelt kommen zwei Damen aus dem Nebenraum und nehmen unsere Personalien auf um die mit der Liste der Freunde zu vergleichen. Geschafft!! Wir haben endlich eine Unterkunft und können uns in die Stadt begeben um Abendbrot zu essen. Spät in der Nacht lernen wir noch ein paar weitere Bewerber kennen und unterhalten uns noch ein bisschen. 
8:00. Der Wecker klingelt und wir kommen wie gerädert aus den Betten. Die morgendliche Routine wird von jedem ausgeführt und dann gehts ab zum Frühstück. Kaffee, Brötchen, Müsli und Saft. 

Gut genährt machen wir uns mit einem Großteil der Bewerber auf die Socken um zur Waldorfschule zu laufen. Ein wunderschöner kalter Wintermorgen der uns alle etwas schneller laufen lässt ist angebrochen und wir laufen mittendurch. Karlsruhe ist eine interessante Stadt: zwischen moderner Architektur und barocken Gärten sieht man so ziemlich alle architektonischen Epochen. 
Wir werden herzlich begrüßt und müssen als erstes unsere Schlaflager aufbauen. Kurz nach 11 sammeln wir uns alle in einem Stuhlkreis in der Aula und alle stellen sich vor ... auf spielerische Weise. Als zweites wird das Sozialspiel Ameisenkönig verbreitet und die ersten Handlung fangen an zu laufen ... ich muss meine Schuhe immer im Stuhlkreis ausziehen. Den ganzen Tag über reden wir über Waldorf und die Formen des Freiwilligendienstes. Mir persönlich würde viel Angst vor dem FSJ genommen und ich fühle mich in meiner Entscheidung gestärkt ins Ausland zu gehen. Damit die ganze Theorie nicht so ermüdend wird gibt es zwischendurch verschiedene Wups (WarmUps) die den Kreislauf wieder anregen. Der Tag vergeht wie im Flug und ich lerne viele neue Menschen kenn, die alle nur eins wollen: raus aus der Heimat und die Welt entdecken und Horizonte zu erweitern. Der Tag endet mit Ehemaligenberichten von unseren Betreuern und klingt mit einem Nachtspaziergang durch Karlsruhe und eine Bar sowie in der Nacht mit dem Spiel Werwolf aus. 

6:45 und der Wecker klingelt nach 4,5 Stunden Schlaf. Ich bin einer der ersten die aufwachen und duschen gehen, denn so hab ich mehr Zeit dafür. Die anderen Bewerber die auch schon wach sind stehen langsam auf und wir helfen den Betreuern das Frühstück vorzubereiten. Wir haben einen strengen Zeitplan, da die Berater der Freunde jeden Moment kommen und uns nochmal prüfen, ob wir dieses Auslandsjahr wirklich wollen. Bei mir ist alles klar und davon konnte ich auch den Berater überzeugen. Wir bekommen Tipps und Tricks für unsere Bewerbungen und das Unterstützerkreiskonzept. Schließlich wird auch dieser Punkt abgeschlossen und die Bewerber zerstreuen sich wieder in alle Himmelsrichtungen ... aber nicht ohne in eine Whatsappgruppe zu treten, damit wir alle in Kontakt bleiben können. Wir fahren geschlossen zum Hauptbahnhof und steigen in unsere Busse oder Züge ein. Die Heimfahrt dauert bei uns ca. 8,5 Stunden. Um diese lange Zeitspanne zu überbrücken hören wir Musik, lesen Bücher und schlafen schonmal Schlaf vor. Aus allen Ecken von Deutschland kommen Meldungen rein, dass man gut angekommen ist oder der Bus/ Zug sich verspätet hat. Letztendlich kommen wir auch in Dresden an und gegen 0:30 steh ich dann vor meiner Unterkunft. Ich werde freundlich begrüßt und die Augen schließen sich schon fast automatisch. 

In dem Sinne: eine gute Nacht und wir hören uns bei weiteren Neuigkeiten. 

Euer Albrecht