Freitag, 18. November 2016

Social Forum Networking Conference Madurai, November 2016 part 1

Was kommt mir in den Sinn, wenn man von einer Konferenz redet? Lange Vorträge, sitzen und viel reden (vielleicht auch Langeweile). Das stell ich mir vor, da ich noch nie auf einer Konferenz war. Nun hatte ich die Chance auf einer vom Goetheanum organisierten beizuwohnen und unter anderem auch aktiv mitzugestalten. Die Vorbereitungen für das Ereignis liefen in der letzten Woche auf Hochtouren, damit wir Muhil Health Center und Karmuhil Organic Farms sehr gut präsentieren konnten. Freitag war dann alles so weit und wir sind um 8 nach Madurai ins Pillar (eine Art Konferenzcenter) gefahren. Da wir ein wenig spät dran waren sind wir sofort am Empfang eingesetzt worden und danach ging es erstmal noch eine Kleinigkeit frühstücken. Natürlich war alles Organic Food und nichts davon aus einer chemischen Farm gekauft. Nun ist die Konferenz natürlich international organisiert und von Indien getragen. Da ist es weniger verwunderlich, dass man im Speisesaal auf eine Gruppe deutschsprachiger trifft und da es anthroposophische Aspekte hat noch weniger, dass die Freunde der Erziehungskunst (meine Entsendeorganisation) ihre Delegierten mit einbringt. Punkt 9 Uhr kommt jemand mit einer Glocke durch die Gänge, um alle Menschen dazu aufzufordern in den Konferenzraum zu gehen, wo die Eröffnung stattfindet. Es wird das Thema der Konferenz "Healthy Body, Healthy Society, Healthy Earth - The Riddle of Relationship" kurz vorgestellt und kleine Übungen lockern die Stimmung und Hemmungen zwischen den Menschen. So zu Beispiel sollen wir einen Ball erst in einen leeren Raum präsentieren, dann einer bestimmten Person anbieten und im letzten Schritt Kontakt zu einer Person suchen und wir uns gegenseitig den Ball anbieten, was bei so vielen Menschen nicht ganz einfach ist, dass jeder einen Partner findet. Hierbei sollten wir herausfinden wie es sich in den verschiedenen Phasen angefühlt hatte den Ball anzubieten. Die Rhythmusübungen hingegen hatten die Aufgabe eines WarmUps, zum (wieder) wach werden, und um zu zeigen, dass wir in einer gemeinsamen Welt leben und wenn wir alle auf einander achten, ein harmonisches Leben möglich ist. Der Rhythmus schaffte insofern einen gemeinsamen Grund und Boden, auf welchem wir uns bewegen konnten, neue Rhythmen einbringen und jeder mit jeden wahrnahm... Society ...

Fr. Clement bei der Eröfnnungsrede

Die zweite Phase der Ballpräsentation

Social Forum Networking Conference Madurai, November 2016 part 2

Wir begaben uns nach einem Vortrag über "The Riddle of Relationship" in die mir eher vertrauten Gefilde: Muhil und Karmuhil. Auf der Fahrt unterhielt ich mich mit dem Kamerateam der Konferenz über die Unterschiede zwischen Deutschland und Indien und ich habe mich mit meinen kleinen Tamilkenntnissen versucht zu unterhalten (lediglich Smalltalk). Wir kamen in Muhil an und Dr. Rani und Fr. Clement gaben eine kleine Geschichte über Muhil und der Wichtigkeit dieses Ortes preis. Wir gingen weiter zu Karmuhil Organic Farms und wurden mit einem Puja unseres Feldpriesters begrüßt. Unter sengender Hitze sind wir weiter zur Destillation Unit gelaufen um dort vom Muhil Healthcare Team empfangen zu werden und sich jeder einem Gesundheitscheck unterziehen konnte. Desweiteren wurden auch Patienten aus den umliegenden Dörfern behandelt. Neben der Behandlung gab es auch die Möglichkeit verschiedene selbst hergestellte Öle, Medizin oder auch Stoffe aus der Pharmacy und Thirumangalam zu kaufen. Es war ein Zusammentreffen aller Menschen ... Arbeiter, Konferenzbesucher, Ärzte und Dörfler ... Und jeder hatte irgendwie Kontakt zu jemanden den er noch nicht kannte. Wir bekamen noch eine Führung durch die Destille und am Ende feierten wir alle zusammen in die Nacht hinein das Puja... Healthy Body ...

Der Sonnenuntergang von der Destille aus
Um 6 Uhr stehen wir auf... Zu früh für meinen Geschmack, aber dieser lässt sich durch einen absolut atemberaubenden Sonnenaufgang und einer Wanderung zu den Jain Beds, eine heilige Stätte, versüßen. An diesem Ort wurde früher schon für die Armen gegeben ohne zu fordern und man spürt in dieser Atmosphäre etwas Besonderes, Unbeschreibliches an diesem Felsen. Wieder beginnen 9 Uhr die Übungen und anschließend geht es mit dem Vortrag über "Healthy Society" und dem Workshop über biodynamisches Kompostieren als Grundlage für eine gesunde Erde los. Wir Menschen bilden eine Brücke zwischen dem Himmel und der Erde, zwischen Freiheit und Gesellschaft, zwischen Spiritualität und Natur. Jeder Mensch kann sich mehr oder weniger einer Seite zuschreiben und solange alles ausgeglichen ist ist die Erde, die Gesellschaft und der Körper gesund. Das Manko in unserer Gesellschaft sei jedoch, dass wir durch Regeln eingeengt werden, welche wir selbst kreiert haben und somit eine ungesunde Gesellschaft fördern. Nachdem wir im weiteren Verlauf theoretisch etwas über das Compost Making gehört haben sind wir in die Praxis übergegangen und haben auf dem Gelände 2 Komposte auf biodynamischer, indischer Art hergestellt.
Der Abend klingt mit kleinen Vorstellungen aus, in welchen jeder Teilnehmer etwas Kleines beitragen kann. So kommen Gesang, Poesie, Tanz und Musik aus allen Ländern zusammen zu einem Programm.
Aber was macht eine Konfernz zu etwas ganz Besonderem? Wenn man Dinge macht, die nicht vorgesehen sind. So bin ich mit meinem Mitbewohner hoch auf die Dachterrasse gegangen und wir genossen den sich öffnenden Himmel und die dahinter verborgenen Sterne und schliefen im Freien.

So mancher genießt die Ruhe am Morgen auf dem Felsen
Wir werden von der Natur auf dem Felsen beobachtet



Das erste Mal wird die CPP-Lösung aufgetragen

Social Forum Networking Conference Madurai, November 2016 part 3

Geweckt wurden wir durch die erste Sonne gegen 6 Uhr und wir machten es uns unten in unserem Zimmer gemütlich um bis 9 Uhr weiter zu schlafen. Nach einem schnellen Frühstück haben wir dann dem Vortrag über "Healthy Earth" zugehört. Am Nachmittag ging es dann wieder raus in die Natur und wir erfuhren mehr über das CPP Making und genau wie am Vortag folgte eine praktische Übung.


Hier wird der Grundstein des Pits geholt

Jeden Tag wurde mindestens eine Einrichtung von den Teilnehmern vorgestellt, aus denen sie kommen. So wurde die Bandbreite von Sozialarbeit in Favelas bis zur organischen Landwirtschaft vorgestellt. Im Zusammenhang mit der vielen Freiwilligen Arbeit stellten auch die Freunde der Erziehungskunst Rudolph Steiners ihre Entsendeorganisation und die Umkehr das 'Incoming' vor. Ihnen wollte ich mich sehr dafür danken, dass ich die Möglichkeit bekomme hier in Indien als Freiwilliger in der biodynamischen/organischen Landwirtschaft zu lernen und zu arbeiten, aber auch für mich selbst die Zeit zu nehmen darüber nachzudenken wie ich mein weiteres Leben gestalten möchte. Auf der Konferenz hatte ich einige Möglichkeiten über meine Pläne zu reden und habe durchaus interessante Denkanstösse bekommen. Hiermit nochmal ein herzliches Dankeschön an alle. die mich bisher unterstützt haben, all jene die mich noch unterstützen werden und ein besonderer Dank an die Freunde, Muhil und das Goetheanum, dass ihr mir dieses Wochenende ermöglicht habt.


Es wird miteinander kommuniziert


Euer Abrecht

Dienstag, 1. November 2016

Über Arbeit

Was interessiert die meisten Menschen, welche nicht bei mir in der Einsatzstelle leben, mit mir in häufigem Kontakt stehen oder auch mal ab und an nur meinen Blog lesen? Nun Aufgrund der Fragen die mir gestellt wurden, gehe ich mal davon aus, dass ihr mehr über meine Arbeit, Freizeitgestaltung, das Essen und vieles mehr wissen wollt. Oft sage ich einfach nur biodynamische Landwirtschaft und werde dann weiter gefragt, was das denn beinhaltet. Naja es ist im Grunde mit Demeter zu vergleichen, was den meisten dann schon eher ein Begriff ist. Für die, die es noch immer nicht wissen: es ist eine Art Landwirtschaft, in der man ohne jegliche chemisch hergestellter Düngemittel arbeitet. Im konkreten ist es die Behandlung und Düngung mit organisch hergestellten Mitteln, zum Beispiel Horn Manure, Kompost, CPP oder auch einfacher Gründüngung. Wir versuchen einen über Jahrzehnte lang mit Chemikalien verseuchten Boden mit Hilfe von filternden Grünpflanzen und immer wieder per Hand durchgeführten Säuberungen den Boden von den Ablagerungen der Vorjahre zu reinigen. Dieser Vorgang kann unter Umständen Jahre dauern, aber das Ergebnis lässt sich sehen: wir besitzen mittlerweile über einige große Feldflächen auf denen wir Gemüse pflanzen können, welches man quasi vom Feld essen kann. So viel dazu worum es bei meiner Arbeit geht...

Das mit der Arbeit ist natürlich so eine Sache. Wen fragt man, wenn man mit einer Arbeit fertig ist und was genau macht man eigentlich wenn man sie ausführt? Es gibt Momente in denen ergibt sich mir kein Sinn meiner Beschäftigung, also arbeite ich einfach das ab, was mir aufgetragen wurde und wenn ich nachfrage oder nach ein paar Wochen nochmal anschaue was ich getan habe rattern die Zahnräder in meinem Gehirn und mir geht ein Licht auf... irgendjemand hat immer einen Plan was fabriziert wird und wenn nicht dann wird improvisiert. Fragen, verständigen, ausüben, nachfragen ob es in Ordnung ist und weitermachen... Ungefähr so würde ich meinen Arbeitsablauf beschreiben, wobei das mit der Verständigung und dem Fragen sehr oft auf sehr niedrigem Sprachniveau, bzw. auf nonverbaler Kommunikation beruht. Sarian? Sari! Ok? Ok! Wer versteht da nicht was gemeint ist ;) Ab und zu wird dann nach Thanni (Wasser) gefragt oder der Teemann kommt vorbei (2x täglich), wobei da alles stehen und liegen bleibt, was man grad in der Hand hat. Zum Teil würde ich behaupten, dass der Teemann die wichtigste Person des Arbeitstages ist, da er erstens eine Pause in die Arbeit bringt, wo man nochmal nachdenkt, was man grad eigentlich macht und zweitens schöpfe ich daraus immer wieder neue Energie für die kommenden Stunden bis zur nächsten Pause.



Destillation Unit, Field, Green House, Senmuhil, Muhil Garden... meine Einsatzorte sind vielfältig wie ein Regenbogen. Zuallererst war ich am Öl destillieren, bis wir kein Palmarosa mehr hatten. Dort habe ich einige Arbeiter kennengelernt, die ich noch in anderen Arbeitsstätten wieder treffen sollte. Als nächstes wurde ich im Muhil Garden eingesetzt, wo wir die Felder aufgeräumt und bestellt haben. Dann der Ruf aufs Feld zu kommen... Nun wurde ich Teil eines Problems, gegen das man hier tagtäglich zu kämpfen hat: Hitze. Unsere Setzlinge verbrennen regelrecht unter der Sonne die wir hier haben und aufgrund des mangelnden Wassers gehen sie ein und geben keine wirkliche Ernte. Doch die Lösung scheint nah: wir bauen einfach ein Netz über das Feld, sodass die Sonne nicht mehr so doll draufscheint, die Vögel und Pfauen vom Feld fern gehalten werden und das Wasser nicht so schnell verdunstet mit dem wir wässern. Gesagt getan ... wir hatten den Job und brauchten mehr als 7 Tage um eine halbwegs akzeptable Lösung zu finden mit der auch weitere Flächen überspannt werden können. Ein wenig aus der Puste waren wir dem Ende der Näherei der Netze nah. Es gab nur ein Problem für die letzte Reihe: wir haben die Netze vertauscht... Das heißt so viel wie ein verlorener Arbeitstag. Was für Möglichkeiten hatten wir um die Netze auf die richtige Länge zu bringen? Die Netze wieder runter nehmen und in die richtige Reihenfolge bringen oder von den zu langen Netzen etwas abschneiden und auf den zu kurzen wieder annähen. Wir entschieden uns fürs abschneiden und annähen, da schon 3 Netze fest mit dem außen stehenden Zaun verbunden waren. Nach einem Tag Arbeit waren wir dann fertig mit dem Übernetzen und das Ergebnis lässt sich sehen. Kaum waren wir fertig ging es zum Green House. Dort sollten wir den Boden mit Schutt und Sand aufschütten, Es gingen gefühlte 3 Tonnen Gewicht über meine Arme innerhalb von 2 Tagen. Letztendlich kam ich nach Senmuhil, was eine Art Trainingscenter für Farmer ist. Dort habe ich jetzt die letzten Tage gearbeitet. Ich hob Löcher aus, welche wieder mit Erde gefüllt wurden und eine Pflanze eingesetzt wurde, die eine ähnliche Wirkung wie Buchsbaum hat: Wasserspeicher und das Abhalten von Schädlingen und Schlangen. Letztendlich haben wir an der neu aufgeschütteten Straße ungefähr 900 dieser Löcher gegraben und gefüllt und anschließend auch noch 3 Tage lang angegossen, damit sie gut Wurzeln schlagen können.



Sari ich bin auch erstmal fertig ... Wie immer: schreibt eure Fragen unter den Blog oder mir persönlich.... Gute Nacht und eine schön Woche :)

Euer Albrecht

Freitag, 16. September 2016

Stadt, Land, Fluss

Was habt ihr für Vorstellungen von einer indischen Millionenstadt oder einem indischen Dorf? Ich denke, dass fast alles was ihr euch ausmalt nicht annähernd an die Wahrheit heran kommt. Tirumangalam ist ein kleines indisches Dorf von ca. 50.000 Einwohnern mit einer kleineren Fläche als eine deutsche Kleinstadt mit ähnlichen Ausmaßen. Zuerst fahren wir mit einem normalen Linienbus ungefähr 20 Minuten bis wir über den Highway mit 40km/h in dem eben genannten Dorf ankommen. Wohlgemerkt hat diese Busfahrt lediglich 5 Rs. gekostet, was ungefähr 3-4 Cent in Deutschland entspricht. Unterwegs werden wir von den Mitfahrern angeschaut und aufgefordert die Treppe hinaufzusteigen, damit wir nicht aus der Bustür hinaushängen. Wir haben keine Ahnung was uns genau in Tirumangalam erwartet und ob wir da etwas einkaufen werden oder doch lieber warten bis wir nach Madurai fahren. Also steigen wir erstmal unvoreingenommen aus dem Bus und werden von einer Masse erfasst, welche wir nur aus Millionenstädten in Deutschland kennen. Der zweite Eindruck ist die Tatsache, dass die meisten der Geschäfte auf offener Straße aufgebaut sind und somit direkt zu sehen ist was verkauft wird. Es hat ein bisschen was von einem Wochenmarkt, nur dass diese Stände hier tagtäglich auf der Straße stehen und die Menschen auch zu den Bussen laufen um durch die Fenster ihre Produkte zu verkaufen. Was allerdings auch auffällt ist, dass keiner der Inhaber aufdringlich ist oder dich dazu drängt etwas zu kaufen. Es scheint als wäre hier eine Gleichgültigkeit vorhanden, welche davon ausgeht, dass sowieso jemand von diesem Stand kaufen wird. Auch scheint hier fast jeder dieselben Dinge zu verkaufen: Früchte, Kokosnüsse, Schmuck und Krimskrams den man sich entweder zuhause hinstellt oder Kindern zum spielen gibt.Wir laufen ein bisschen die Hauptstraße hinauf und werden unterwegs von einigen Indern verfolgt die sich wieder zurückziehen und werden des Öfteren von Rikschafahrern angesprochen wo wir hinwollen oder woher wir kommen, damit sie dann lachend weiter zu fahren. Überall bildet sich das gleiche Bild: Menschen die lachend über die lärmende Straße rufen um jemanden auf der anderen Seite auf sich aufmerksam zu machen oder aber lautstark gegen den Lärm der vorbeifahrenden Autos zu reden. Im Endeffekt ist es ein reinstes Geräuschwirrwar, welches man nur aushält wenn man die unnötigen Quellen aussortieren kann. Schließlich wenden wir und gehen über einen Bahnübergang. Das nächste Ereignis lässt nicht lange auf sich warten: der erste Zug den wir in Indien sehen. Er entspricht genau den Vorstellungen die ich hatte bzw. wie er in dem Film Slumdog Millionaire gezeigt wird: übervoll und extrem lang, nur dass Menschen auf dem Dach sitzen.
Der Zug beim einrollen
Nachdem der Zug durch ist rollt eine Menge an Autos und Motorräder an uns vorbei, wir überqueren die Straße und gelangen in eine komplett andere Welt. Diese Straße ist gepflegt, gesäubert und die Häuser sehen aus als wären wir in einer normalen deutschen Stadt. Am Ende dieser Straße steht ein wohl gepflegtes Kloster, wo sich Kühe im Garten an grünen Gräsern und getrocknetem Heu laben. Wir gehen wieder zurück in das Zentrum und nehmen den Bus zurück zum Muhil Center. Am nächsten Tag machen wir einen Ausflug in eine Einsatzstelle in den Bergen. Inba Seva Sangam ist eine Organisation, welche sich für die Erhaltung Gandhis Lehre einsetzt. Sie besitzt eine Schule und ein Camp je für Jungen und Mädchen. Auch haben sie eine Siddha Klinik und Production, welche aus organischen/ biodynamischen Farming gespeist wird. Dort werden wir ein wenig herum geführt während Father Kashmir eine Semesterbesprechung abhält. Nachdem wir 2 Stunden durch die Gärten, Camps und die Schule geführt wurden machen wir uns schließlich wieder auf den Rückweg nach Muhil. Wieder fahren wir fast 3 Stunden Auto durch eine wunderschöne Landschaft mit einem genialen Sonnenuntergang.

Der Sonnenuntergang aus dem Auto fotografiert


Stadt, Land, Fluss

Was habt ihr für Vorstellungen von einer indischen Millionenstadt oder einem indischen Dorf? Ich denke, dass fast alles was ihr euch ausmalt nicht annähernd an die Wahrheit heran kommt. Tirumangalam ist ein kleines indisches Dorf von ca. 50.000 Einwohnern mit einer kleineren Fläche als eine deutsche Kleinstadt mit ähnlichen Ausmaßen. Zuerst fahren wir mit einem normalen Linienbus ungefähr 20 Minuten bis wir über den Highway mit 40km/h in dem eben genannten Dorf ankommen. Wohlgemerkt hat diese Busfahrt lediglich 5 Rs. gekostet, was ungefähr 3-4 Cent in Deutschland entspricht. Unterwegs werden wir von den Mitfahrern angeschaut und aufgefordert die Treppe hinaufzusteigen, damit wir nicht aus der Bustür hinaushängen. Wir haben keine Ahnung was uns genau in Tirumangalam erwartet und ob wir da etwas einkaufen werden oder doch lieber warten bis wir nach Madurai fahren. Also steigen wir erstmal unvoreingenommen aus dem Bus und werden von einer Masse erfasst, welche wir nur aus Millionenstädten in Deutschland kennen. Der zweite Eindruck ist die Tatsache, dass die meisten der Geschäfte auf offener Straße aufgebaut sind und somit direkt zu sehen ist was verkauft wird. Es hat ein bisschen was von einem Wochenmarkt, nur dass diese Stände hier tagtäglich auf der Straße stehen und die Menschen auch zu den Bussen laufen um durch die Fenster ihre Produkte zu verkaufen. Was allerdings auch auffällt ist, dass keiner der Inhaber aufdringlich ist oder dich dazu drängt etwas zu kaufen. Es scheint als wäre hier eine Gleichgültigkeit vorhanden, welche davon ausgeht, dass sowieso jemand von diesem Stand kaufen wird. Auch scheint hier fast jeder dieselben Dinge zu verkaufen: Früchte, Kokosnüsse, Schmuck und Krimskrams den man sich entweder zuhause hinstellt oder Kindern zum spielen gibt.Wir laufen ein bisschen die Hauptstraße hinauf und werden unterwegs von einigen Indern verfolgt die sich wieder zurückziehen und werden des Öfteren von Rikschafahrern angesprochen wo wir hinwollen oder woher wir kommen, damit sie dann lachend weiter zu fahren. Überall bildet sich das gleiche Bild: Menschen die lachend über die lärmende Straße rufen um jemanden auf der anderen Seite auf sich aufmerksam zu machen oder aber lautstark gegen den Lärm der vorbeifahrenden Autos zu reden. Im Endeffekt ist es ein reinstes Geräuschwirrwar, welches man nur aushält wenn man die unnötigen Quellen aussortieren kann. Schließlich wenden wir und gehen über einen Bahnübergang. Das nächste Ereignis lässt nicht lange auf sich warten: der erste Zug den wir in Indien sehen. Er entspricht genau den Vorstellungen die ich hatte bzw. wie er in dem Film Slumdog Millionaire gezeigt wird: übervoll und extrem lang, nur dass Menschen auf dem Dach sitzen.
Der Zug beim einrollen
Nachdem der Zug durch ist rollt eine Menge an Autos und Motorräder an uns vorbei, wir überqueren die Straße und gelangen in eine komplett andere Welt. Diese Straße ist gepflegt, gesäubert und die Häuser sehen aus als wären wir in einer normalen deutschen Stadt. Am Ende dieser Straße steht ein wohl gepflegtes Kloster, wo sich Kühe im Garten an grünen Gräsern und getrocknetem Heu laben. Wir gehen wieder zurück in das Zentrum und nehmen den Bus zurück zum Muhil Center. Am nächsten Tag machen wir einen Ausflug in eine Einsatzstelle in den Bergen. Inba Seva Sangam ist eine Organisation, welche sich für die Erhaltung Gandhis Lehre einsetzt. Sie besitzt eine Schule und ein Camp je für Jungen und Mädchen. Auch haben sie eine Siddha Klinik und Production, welche aus organischen/ biodynamischen Farming gespeist wird. Dort werden wir ein wenig herum geführt während Father Kashmir eine Semesterbesprechung abhält. Nachdem wir 2 Stunden durch die Gärten, Camps und die Schule geführt wurden machen wir uns schließlich wieder auf den Rückweg nach Muhil. Wieder fahren wir fast 3 Stunden Auto durch eine wunderschöne Landschaft mit einem genialen Sonnenuntergang.

Der Sonnenuntergang aus dem Auto fotografiert


Stadt, Land, Fluss Teil 2

Es ist Montag und wir werden zur Wohnungseinweihung nach Madurai eingeladen. Eine der Mitarbeiterinnen aus Muhil zieht mit ihrem Mann vom Land in die Stadt nahe des Zentrums. Das Ritual ist relativ simpel erklärt: Man kocht Milch auf, welche etliche guten Dinge symbolisiert, welche wie diese Milch in dieser Wohnung gedeihen sollen. Danach wird Zucker hinzu gegeben und jeder bekommt einen Becher voll. Bevor man diesen trinkt wird man noch mit einer Blume und einer gelben Masse und rotem Puder verziert, welche das dritte Auge darstellt. Danach sind wir weiter gezogen um uns in einem Kaufhaus Sachen zu kaufen. Uns erwartet ein riesiger Store mit fast genauso vielen Angestellten wie Käufern und fast jeder wird hier beraten. Wir gelangen in den vierten Stock um nach Hemden und Hosen Ausschau zu halten. Nach kurzer Zet werden auch wir angesprochen was wir suchen und werden prompt zu den nahe gelegenen Hemden geführt. Hier probieren wir einige Hemden an und welche uns passen werden weggeräumt und man bringt uns einen Zettel zur Abholung. Nachdem wir mit allen Dingen fertig sind gehen wir wieder nach draußen und uns erfasst die immerwährende Hitze. Bei einem weiteren Ausflug nach Madurai, welchen wir vier allein antreten, Stehen wir halb planlos am Big Bazar und wollen in Richtung Tempel. Nur haben wir absolut keine Ahnung wo sich hier eine Bushaltestelle befindet oder in welche Richtung wir fahren müssen. Wir fragen also eine Verkäuferin welche uns den Weg erklärt. Wir überqueren die gut gefüllte Straße und stehen letztendlich doch wieder auf der falschen Seite.... Also wieder die Straße überqueren und dann beginnt die Suche nach einer Bushaltestelle. Noch während wir suchen fährt ein Bus den wir nehmen können heran und hält kurz vor uns. Leider diskutieren wir zu lang und der Bus ist schon weg bevor wir ankommen. Also doch zu Fuß bis der nächste Bus vorbei fährt. An einer Kreuzung ist es dann endlich so weit und wir steigen in einen Bus ein, wo wir weder wissen wo er hinfährt, noch wie weit wir fahren müssen. Anhand des Navis im Smartphone verfolgen wir unserer Strecke und steigen in der Nähe der Tempel aus. Es folgt ein kurzer Fußmarsch von 25 Minuten um letztendlich mit einigen Stopps für die Begutachtung von Ständen an den Tempeltürmen von Madurai anzukommen. Dort vereinbaren wir, dass wir uns 15:00 am Nordturm treffen, falls wir uns verlieren. Letztendlich biegen Henryk und ich in eine wunderschöne Gasse ein, wo allerlei Metall verkauft wird. Dort finden wir auch die Becher, aus welchen wir hier täglich trinken. Am Ende dieser Gasse steigen wir ein paar Stufen hoch um erneut in eine Verkaufstraße, diesmal die der Schneider und Schmuckverkäufer, einzutauchen. Wir halten an einem Stand mit Bronzefiguren an und Henryk feilscht mit dem Besitzer über den Preis. Nachdem er 2 kleine Statuen erworben hat werden wir von einem Inder angesprochen, ob wir das Tempelgelände von oben sehen wollen. Natürlich lehnen wir nicht ab und so werden wir zum Nordturm in ein Teppichgeschäft geführt. Nachdem wir die zweite Etage erreicht haben wird unser derzeitiger Führer abgelöst und wir folgen wahrscheinlich dem Chef dieses Geschäfts. Oben angekommen bietet sich uns ein atemberaubender Blick über die Tempelanlage. Wir machen natürlich Fotos, Henryk mit seiner Kamera und ich mit meinem iPhone.

Der Süd-, West- und Nordturm (von links nach rechts)
Da uns der Chef nicht ganz koscher aussieht behalte ich ihn immer im Auge was er macht. Schließlich steigen wir wieder runter und und uns wird eine ansehnliche Sammlung an Mitbringseln gezeigt, welche alle ab Rs 800 zu erwerben sind. Nach 10 Minuten gehen wir ohne etwas gekauft zu haben aus dem Laden, da wir weniger als Rs 500 bei uns tragen. Draußen treffen wir auf die Mädchen und wir suchen uns eine Route zu einer Stelle zum Mittag essen raus, welche uns jedoch in die Irre führt. Schließlich googlen wir das Geschäft und fragen einen Rikschafahrer ob er uns dorthin fahren kann. Nach einigen Verständigungsproblemen und der Hilfe von zwei weiteren Indern werden wir durch halb Madurai gefahren. Unterwegs überqueren wir den Kaveri, welcher aufgrund des Damms oberhalb nur ein Zehntel oder weniger Wasser führt als ursprünglich. Unter anderem ist dieser Damm auch derzeitig der Grund warum in Bangalore Kanartaka und Tamil Nadu demonstrieren und es Ausschreitungen gibt. Da die gesuchte Bäckerei sich auf einer langen Straße befindet fragt unser Fahrer unterwegs nochmal nach dem Weg und uns werden von Kindern Süßigkeiten zum Kauf angeboten. Schließlich kommen wir an und ich markiere mir die Stelle in meinem Navi. Kurz nach unserem kleinen Mittagessen fahren wir mit einer kommunistischen Rikscha zum Busbahnhof, wo unser Bus nach Tirumangalam abfährt und 5 Minuten später sind wir auf dem Rückweg aufs Land.

Ausblick auf ein Tor zu Madurai aus der Bustür
Nun ... es waren viele Eindrücke und ich habe sicherlich auch einige nicht erwähnt, da es einfach überwältigend ist. Falls ihr weiterhin Fragen habt seid nicht zögerlich und fragt einfach drauf los indem ihr mir einen Kommentar hinterlasst oder mir eine Nachricht zu kommen lasst.

Viele Grüße aus Indien!
Euer Albrecht

Samstag, 3. September 2016

Wannakam

Wannakam ... kein Namaste? Na gut dann ist also schon ein erster Fehler aufgedeckt den ich in der Region Tamil Nadu gemacht hätte. Wannakam ist die gängigste Grußformel, neben 'Hello' oder 'Good day', in meiner Umgebung. Kaum betritt man einen Raum oder eine neue Gegend wird man überall gegrüßt und die Blicke richten sich wie ein Magnet auf dich - keine Abwertung, sondern Staunen und Interesse. Als wir in unserer Einsatzstelle ankamen wurden wir erstmal allen vorgestellt und sind dann mit einem kleinen Obstbeutel ins Bett gegangen um unseren Jetlag auszuschlafen. DIe nächsten Tage verliefen sehr sehr ruhig ... Wir sind kaum aus dem Center gegangen und haben uns weiterhin vom Jetlag ausgeruht.  Am Sonntag war dann das erste 'Meeting' wo sich Father Clement und Dr. Rani vorgestellt haben und uns über unsere Erwartungen, Hobbys und Zukunftsplänen ausgefragt haben, damit sie die Arbeit danach anpassen können. Demnach werde ich mehr im Bereich des organischen/ biodynamischen Farming eingesetzt werden, aber auch bei der Gestaltung von Websites und der Unterrichtung von Indern im Bereich der Bedienung mit dem PC helfen. Das klingt doch gar nicht so schlecht und ich freu mich drauf damit zu beginnen. Innerhalb der nächsten Woche bin ich mit den anderen raus zur Destille gefahren und dort haben wir erst eine Hütte von innen mit einer Art Aluminiumlack angestrichen, damit das Gerüst drinnen nicht rostet, und danach sind wir für mehrere Tage zu einem Heuhaufen gegangen, wo das getrocknete Gras in einen Schredder gesteckt wurde und danach fein zerkleinert auf einen neuen Haufen geworfen wurde, damit die Kühe gutes Futter bekommen, aber auch, damit wir mit dem überflüssigen Gras wieder Erde gewinnen konnten. Nachdem diese Aufgabe erledigt war gab es für uns nicht mehr wirklich was zu tun und wir übten uns im Traumfänger basteln und kümmerten uns so gut es ging um unser ca. 8x3 Meter großes Feld, wo Erdnüsse und eine undefinierbare Pflanze wachsen :D In unserer überflüssigen Zeit schreiben wir, spielen Karten, lernen Tamil oder legen uns auch mal ins Bett um uns von einer nicht so guten Nacht auszuschlafen. Da wir alle nur noch auf den Monsun warten gibt es hier derzeitig kaum was zu tun ... Das Gras ist geerntet, neue Pflanzen wurden gesät und das einzige was noch zu machen ist, ist die Buchhaltung. Somit haben wir jetzt unsere Chance ein bisschen Excel und Computerverständnis zu lehren, was sich allerdings aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse auf beiden Seiten als sehr langwierig ausweist. Nun sind wir wieder mal an dem Punkt angelangt, wo ich euch Fragen beantworte und ihr Dinge schreiben könnt über die ich möglicherweise mal berichten sollte.

Im nächsten Post geht es dann um ein paar Ausflüge in die nähere und auch etwas weiter entfernte Gegend.

Viele Grüße in alle Welt

Euer Albrecht


Eine Farmerhütte von einem unserer Dächer aus fotografiert

Freitag, 2. September 2016

Anreise! Und weiter?

Wer von euch kennt es, dass man eine Woche bevor man fliegt den zweiten oder sogar dritten Packlisten anlegt? Bei mir war es die zweite Packliste und der erste Koffer. Doch was genau braucht man eigentlich in Indien? Auf jeden Fall eine Verbindung zur Außenwelt, also mindestens ein Handy und einen externen Akku dafür. Desweiteren natürlich eine Kamera und einen Laptop um euch auf dem laufenden zu halten. Auch Anziehsachen sind auf der Packliste gern gesehen :D Insgesamt haben diese Dinge erstmal 15kg gewogen und ich hatte 2 mal 23kg Koffer Freigepäck. Diese füllte ich dann mit einigen Gastgeschenken, Verpflegung, Medikamenten und jeder Menge Pflege/Schutzprodukten. So zog ich dann am 25.8. mit 42kg Koffergepäck nach Berlin Tegel und checkte zusammen mit Henryk für Air Berlin ein. Kaum war ich 20 Minuten da verschwanden meine Koffer in den Tiefen des Flughafens und so langsam wurde mir so richtig klar, dass ich bald Deutschland für ein Jahr verlassen werde. All die Freunde, Unterstützer, Familie und Menschen werde ich jetzt für mindestens ein Jahr nicht mehr sehen und die meisten auch nicht hören ... Allerdings können all jene mein Jahr verfolgen und das gibt mir eine gutes Gefühl, da ich meine Erfahrungen mit all jenen teilen kann die kein solches Jahr machen können oder denen es noch bevorsteht. Nach gut eineinhalb Stunden kam eine Freundin von Henryk vorbei um sich noch zu verabschieden, währen wir schon kurz vorm Boarding waren. Kaum waren wir durch das Boarding ging es in den Flieger und die letzten Nachrichten mit meinen besten Freunden wurden ausgetauscht und dann kappte die Verbindung, ich lehnte mich zurück und genoss den Flug über die Wolken, Gebirge und endlosen Landschaften. Schließlich kamen wir in Abu Dhabi, unserem ersten Umstieg, an und wurden von einer ersten Hitzewelle geröstet: 43 Grad außerhalb des Flughafens und kurz darauf der nächste Schock: der ca. 19 Grad gekühlte Flughafen. Man gewöhnte sich schnell an die Temperatur und wir fanden auch schnell eine Bleibe für die nächste dreiviertel Stunde. Schließlich ging es mit Etihad weiter in Richtung Chennai.

Henryk und ich in Abu Dhabi am kostenlosen WLAN
Kaum war das Boarding vorbei fiel uns auf, dass fast nur Inder in diesem Flugzeug saßen. Wir machten es uns gemütlich und genossen auch diesen Flug mit einem Gericht und einigen Getränken. Nach einigen Turbulenzen und verwirrenden Zetteln kamen wir in Chennai am Flughafen an. Wir dachten uns, dass der Stress nicht für uns ist und wir einfach ganz um Schluss aussteigen. Leider haben wir damit keinen Stress übersprungen, sondern wir mussten auf dem schnellsten Weg zum auschecken gehen, dann weiter zur Kofferabholung und dann zum CheckIn im DomesticAirport rennen. Dort hatten wir noch fast noch eine Stunde Zeit um einzuchecken und durch die Sicherheitskontrolle zu kommen. Allerdings erwies sich diese Zeit als sehr sehr rar, da wir erst 25 vor Boardingschluss an der Sicherheitsbarriere waren. Dann 15 Minuten vor Schließung haben wir uns entschieden uns vorzudrängeln und wurden auch von den Beamten durch gewunken. Am Ende blieben von den 115 Minuten Umsteigezeit 7 übrig um von der Sicherheitskontrolle zum Boarding zu kommen. 2 Minuten vor Schließung standen wir dann doch beim Boarding und stiegen in das Shuttle zum Flugzeug ein. Es war nicht schwer zu erraten, dass wir mit einer Propellermaschine nach Madurai fliegen. Allerdings waren wir umso mehr überrascht, dass wir die einzigen Hellhäutigen waren. Bevor es losging haben wir uns entscheiden diesen Flug nicht zu schlafen, da wir womöglich sonst die Ankunft verpassen :D naja aber Vorsätze würden nicht Vorsätze heißen, wenn man sie nicht einhalten würde. Also schliefen wir beide doch im Laufe der Zeit ein. Nach einer kurzen Schlummerphase konnte ich einen wunderschönen Sonnenaufgang über den Wolken erleben und fühlte mich sehr willkommen ein Foto zu schießen.

Ein wunderschöner Aufgang zwischen Chennai und Madurai
Schließlich setzten wir 7:15 auch in unserem finalen Flughafen auf und fanden einen völlig verschlafenen Flughafen vor. Verständlicherweise in dieser Tageszeit ... Wir schauten uns um ob wir schon Father Clement sehen der uns abholen wollte. Da dies nicht der Fall war holten wir erst unser Gepäck und tauschten die ersten Euro in Rupien um. In der Zwischenzeit hat uns Father Clement von draußen gesehen und mir zugewunken. Wir wurden sehr herzlich von ihm in Empfang genommen und stiegen in den klimatisierten Jeep ein, da selbst hier um diese Uhrzeit schon über 30 Grad herrschen. Wir sprachen ein bisschen über die Reise und das was uns im Muhil Centre erwarten wird. Aber so richtig erinnern kann ich mich nicht wirklich, da ich schöpft die Augen schloss und Henryk reden ließ. Nach einer Fahrt über das Land kamen wir schließlich in unserer neuen Gemeinschaft an und wurden auch hier nochmal von einigen Personen begrüßt und über unsere Familie und Herkunft in Deutschland ausgefragt. Auch trafen wir jetzt mit den anderen 2 Freiwilligen zusammen und somit war diese Einrichtung komplett. Das FSJ konnte beginnen ... aber erst nachdem Henryk und ich 6 Stunden Schlaf nachgeholt und uns beim Abendbrot indisch gestärkt haben........

Der Flughafen von Madurai - mit unserem standen dort 2 Flugzeuge

P.S. bei Fragen stellt sie und ich versuche darauf zu antworten ;) 

Montag, 1. August 2016

Das Vorbereitungsseminar - Rückblick

Wer kennt es nicht? Die Aufregung für das Jahr im Ausland steigt, pegelt sich ein und plötzlich ist es wieder vergessen. Und das in einer ständigen Schleife. Ich denke jeder macht diese Phase vor dem Jahr durch und viele schaffen es durch das Vorbereitungsseminar darüber hinaus. Damit ihr nachvollziehen könnt wie man sich bei dieser Bewältigung fühlt fasse ich mal die unglaublichen 10 Tage des Vorbereitungsseminars zusammen.

Es ist 4:20 und mein Wecker klingelt mich aus dem 3 Stundenschlaf. Ich erinner mich noch genau, wie ich am Vorabend meinen Rucksack gepackt habe, die Listen für das Seminar noch einmal durchgegangen bin und schließlich alle nötigen Papiere und meinen Laptop eingepackt habe. Ach ja und ganz wichtig für die Fahrt war es natürlich auch den nötigen Proviant am Vortag zu machen, da ich weiß, wie wenig man an diesem Morgen motiviert ist solche Dinge zu erledigen. 4:30 war ich dann aufgestanden und bereit mich den Anforderungen des Tages zu stellen. Ich packte die letzten nötigen Sachen ein, schrieb mit Henryk (jemand der mit mir fährt) und machte mich dann so langsam auf den Weg zum Zug. Ich ging nochmal alles im Kopf durch und vergewisserte mich, dass ich meine Fahrkarte dabei hatte ... und schließlich stand ich in der S-Bahn Richtung Dresden Neustadt. Auf der Fahrt von Dresden Neustadt nach Frankfurt a.M. war nichts besonderes los, außer das ich ein paar sehr nette Menschen getroffen habe, mit denen ich quatschen konnte. Von Frankfurt a.M. nach Karlsruhe jedoch hatten sich ein paar Menschen entschieden auf den Gleisen zu stehen, weshalb wir mit 15 Minuten Verspätung einfuhren. Pünktlichkeit ist eine Zier, welche die Bahn bis ins kleinste Detail beherrscht. Wir kamen mit dem Anschlusszug genau in der gleichen Sekunde an. Wäre da nicht Henryk gewesen, der schon im Voraus mit mir abgesprochen hatte, dass wir uns in dem Zug treffen, hätte ich den Zug sehr wahrscheinlich verpasst. Also spurtete ich los mit über 20kg baumelndem Gepäck auf dem Rücken ... den Bahnsteig lang ... die Rolltreppe runter mit vollem Gepäck und einen Mann anrempelnd und schließlich auf der anderen Seite total außer Atem hoch gerannt. Henryk stand in der einzig offenen Tür und ich rannte mit einem breiten Grinsen auf ihn zu. Hinter mir hörte ich noch weitere Leute kommen und wir hielten die Tür solange auf. Eine Person stach ins Auge: großer, prall gefüllter Rucksack und mit einem herzlichen Lachen im Gesicht als ich fragte, ob sie auch zu den Freunden wolle. Wir tranken erstmal was auf diese kurze Tortur und kamen dann demnächst ins reden über Gott und die Welt. So fuhren wir als Dreiergespann durch den Schwarzwald bis nach Freudenstadt. In Freudenstadt trafen wir auf die nächsten Freunde die den Weg zur Jugendherberge suchten und gemeinsam fragten wir jemanden, der uns am Ende nur die Strasse hoch schickte und dann waren wir da. Wir wurden ganz herzlich begrüßt und sofort teilten wir uns auf die Zimmer auf, planten die Abwaschliste und trugen ein paar Workshops ein, welche wir anbieten würden. Nachdem unsere Zimmer bezogen waren holten Henryk und ich unsere Kamera raus und machten Bilder von Neuankömmlingen, Bastelnden und den Teamern. Außerdem bastelten wir auch unsere eigenen Namensschilder für das Seminar, damit die Verständigung um einiges erleichtert werden würde. Nach der Stärkung, die uns durch die Jugendherberge zur Verfügung gestellt wurde, durch Kaffee und Kuchen trafen wir uns alle im Gandhi-Raum (der größte Seminarraum der Jugendherberge). Jeder der 60 Teilnehmer stellte sich nochmal mit der Einrichtung und seinem eigenen Namen vor. Nun hatten wir alle einen groben Überblick, die Woche wurde so gut wie möglich vorgeplant und die erste Info, dass wir am nächsten Tag wandern gehen würden wurde verkündet. In der großen Runde bekam jeder ein nützliches Geschenk, dass jemand anderes mitgebracht hatte und wurden auf diese weise in die 'liebevollen Kleingruppen' eingeteilt (insgesamt 4). Wir gingen essen und uns unterhalten und um 21:30 trafen wir uns wieder im Gandhi-Raum zur Sternstunde. Wir bekamen wieder Informationen wie das Seminar geregelt sein würde und danach wurden Kerzen angezündet und die Lichter gelöscht. Da saßen wir nun in einem von Kerzenschein belichteten Raum voller neuer Menschen, welche alle aus einem Grund hier zusammen trafen: wir wollen uns im Ausland mit Erfahrung bereichern und dabei völkerverständigend wirken. Und dies ist kein leichtes Unterfangen, welches unüberlegt angetreten werden kann. Am Ende dieses Tages wurden wir aufgefordert in unsere Arbeitsbücher einen Tagesrückblick zu schreiben und wir sangen noch ein skandinavisches Abschiedslied: Vem kan segla.
Ich fahre in einem gerade fast leeren ICE
So wird man auf dem Seminar begrüßt
Am nächsten Tag waren fast alle um 7:30 in ihren Workshops um sich gut auf den Tag vorzubereiten. Manche gingen joggen, andere sangen, ein paar machten Impro-Theater und wieder andere Freeletics. Nach dieser Aufwachphase stärkten wir uns für den Tag und stiegen in unsere Wanderklamotten, denn heute sollten wir durch den Schwarzwald wandern und dabei verschiedene Aufgaben erledigen, wie z.B. unsere Nähe und Distanz zu anderen Personen herauszufinden und klar zu artikulieren. Gegen Mittag fing es dann an zu regnen und wir flüchteten uns nach einiger Suche unter ein Carport bis der Regen aufhörte. Kaum war die Sonne raus gingen wir zur nähsten Wanderhütte um uns dort über unsere Anforderungen, unseren Befürchtungen und Zielen für das Auslandsjahr im klaren zu werden. Durch die mangelnde Motivation durchnässt in der Jugendherberge anzukommen sind wir lediglich zur S-Bahn-Station gelaufen und nahmen den sicheren Zug. Im trocknen lässt es sich doch besser denken ... Wir wuschen, trockneten und wärmten uns. Danach trafen wir uns wieder in der Kleingruppe und besprachen was wir uns aufgeschrieben hatten.
Und wir schützen uns unterm Carport
Im Verlauf des nächsten Tages bekamen wir einen Einblick in die gewaltfreie Kommunikation und damit verbunden in verschiedene Ansichten über die Persönlichkeit eines Menschen (natürlich sehr auf Rudolph Steiner basiert). Wir erfuhren was wir die nächsten Tage machten und jagten einem goldenen Schatz hinterher. Ein paar gingen in die nahegelegene Waldorfschule, andere in einen Kindergarten, die nächsten in ein Camp und Henryk und ich besuchten den etwas weiter entfernten Demeterhof HofBauernHof (http://www.hofbauernhof.org/titel/index.php). Dort lernten wir was es bedeutet auf dem Feld zu stehen und sein Essen herzustellen. Unkraut jähten, düngen und Tiere versorgen. Aber auch, was es bedeutet in einer Gemeinschaft zu arbeiten und jede Arbeit so gut wie möglich auf alle zu verteilen, sodass niemand überlastet ist. Dieses kleine Praktikum war eine sehr gute Auszeit von dem Trubel aus der Jugendherberge und wir hatten dort Zeit alles was wir die Tage über erlebt hatten zu verarbeiten, Zurück in der Jugendherberge war es genau umgekehrt: wir stemmten uns der immerwährenden Frage wie es auf dem Bauernhof war und was wir erlebt hätten. Die nächsten Tage vergingen wie im Flug: wir hörten 2 Tage lang etwas über Rudolph Steiner und seine Lebensphilosophie, wurden über die medizinischen Tücken in unseren Ländern aufgeklärt und eine Freundearbeiterin stand uns Rede und Antwort bei all dem ganzen Papierkram den wir erldigen müssen. Einige FSJler bereiten kleinere Präsentationen vor und so lernten wir mehr über indisches Essen und die Trolle aus Skandinavien. Auch der Orientierungslauf durfte dabei nicht fehlen. Und so gelangten wir schließlich wieder zu einer kleineren Wanderung am letzten Mittwoch, wobei wir uns in unseren Kleingruppen gegenseitig ein Feedback gaben, wie wir uns erlebten und was wir uns für das Jahr wünschten. Am Abend haben wir dann eine wunderschöne Abschiedsfeier veranstaltet und ein paar haben die Nacht bei leichtem Regen draußen auf der Wiese unter einer großen Plane übernachtet.
Wir wurden 10 Minuten vor 6 Uhr von den ersten Vögeln und Sonnenstrahlen geweckt. Wir machten uns dann frisch und gingen frühstücken um die letzten Stunden mit den Anderen genießen zu können. Der Abschied fiel so wirklich niemandem leicht, obwohl wir uns gerade erst 10 Tage kannten ... und nach gefühlten 2 Stunden umarmen, singen und sich gegenseitig Trost zu sprechen lösten wir uns in alle Himmelsrichtungen auf.
Direkt 14:27 fuhr mein Zug aus Freudenstadt aus um eine 9 Stunden Reise mit Klara auf mich zu nehmen um wieder in Dresden an zu kommen (natürlich hatten wir auch hier Verspätung, allerdings verpassten wir dadurch unseren Anschluss-ICE). Zuhause angekommen fiel ich total überwältigt, glücklich und kulturgeschockt von der Kleinstadt Meißen in mein Bett und schlief bis in die späten Morgenstunden.
Und hier sieht man die gesamte Truppe Freiwilliger

Mittwoch, 6. Juli 2016

Spendenaufruf an alle

Hallo alle zusammen :)

Wie ihr ja wahrscheinlich schon im Titel seht, geht es in diesem Beitrag darüber, dass ich noch eine große Summe an Spendengeldern brauche. Falls ich es euch noch nicht erzählt habe: ich muss 30% der Kosten für ein Auslandsjahr durch Spendengelder sammeln. Die restlichen 70% werden vom Staat gefördert. allerdings sind selbst 30% ein ganz schöner Batzen Geld ... um konkret zu sein: 3300€. Das muss ich alles noch sammeln, bevor es nach Südindien geht. Daher kommt von meiner Seite her nochmal die Bitte: spendet mir einen Betrag über leetchi.com (https://www.leetchi.com/c/soziales-von-albrecht-guenz) oder schreibt mich an, wenn ihr weitere Informationen oder eine andere Möglichkeit der Spende für mich habt.

Ich danke euch auf jeden Fall schon mal im Voraus und einen schönen Abend wünscht euch euer Albrecht.

Mittwoch, 22. Juni 2016

Die Vorbereitungen laufen

Viel Zeit ist vergangen seit meinem letzten Eintrag und es ist gefühlt auch genauso viel passiert. Ich habe mich bei etlichen Einsatzstellen beworben und habe fast genauso viele Absagen zurück bekommen ... nach jeder Absage ging oft eine neue Bewerbung an eine andere Einsatzstelle hinaus um einen Platz im Weltwärtsprogramm zu bekommen. Letztendlich dauerte es 4 Monate bis ich eine vage Zusage aus Südafrika erhielt. Die Euphorie war groß und die Planung begann. Doch so schnell das Ganze begann, so schnell endete es auch; kein Visum für Südafrika lautete die Nachricht. Nach weiteren Gesprächen mit den Vertrauenspersonen bei den Freunden der Erziehungskunst habe ich mich noch in Indien im Muhil Healthcare Center beworben. Kaum war die Bewerbung raus erhielt ich sofort am nächsten Werktag die Zusage für die Einsatzstelle. Ich konnte mein Glück kaum fassen als ich von der Tanzstunde nach Hause fuhr ... Euphorisch wie ich war gondelte ich mit dem Fahrrad durch die Straßen mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das sich breiter anfühlte als das der Katze aus Alice im Wunderland. Zuhause angekommen kamen mir dann erstmal die ersten Zweifel, ob Indien wirklich so eine gute Idee ist und was ich dort alles beachten müsse.
Dann kam am Freitag die nächste Hürde: ich musste mein Abitur schaffen ... mit einem Notenpunkt in dem schriftlichen Abitur vorbeigerutscht ... Das bedeutete für mich, dass ich eine zusätzliche mündliche Prüfung mit mindestens 6 Notenpunkten bestehen musste. Damit meine Einrichtung in Indien sich nicht wundert warum ich so spät zusagen möchte schrieb ich ihr und bekam eine super aufbauende Nachricht zurück: Wir wünschen dir alles Gute für die Prüfungen. Lass uns wissen wenn es soweit ist. Wir warten auf dich :) So konnte doch echt nichts mehr schief gehen.
Der Tag der mündlichen Prüfung rückte immer näher. Die gesamte Woche davor habe ich nur gelernt um dann am Samstag davor nochmal eine kleine Lernpause zu machen ... Tanzabschlussprüfungen im Standard und Lateintanz. Für mich bedeutete dies 3 Prüfungen an dem Samstag zu tanzen. Nach diesem Marathon war ich natürlich ausgepowert und ging mit ein paar Freunden noch in die Stadt etwas essen. Wir quatschten und unterhielten uns ausgelassen über das Auslandsjahr und die Tanzprüfung ... Während wir einen Moment lang nicht auf meinen Rucksack aufpassten geschah was geschehen musste: der Rucksack wurde geklaut; innerhalb einer Minute wo wir nicht aufpassten. Sämtliche Dokumente wie Personalausweis usw. sowie EC-Karte und alle möglichen Unterlagen über Arbeiten und die Abivorbereitung waren verschwunden. Wir suchten sofort die nähere Umgebung nach dem Rucksack ab - erfolglos. Er könnte überall in jedem Hinterhof sein. Ich beschloss, da es schon sehr spät am Abend war, die letzte S-Bahn Richtung Heimat zu nehmen und eine Facebookaktion zu starten, damit der Rucksack wieder seinen Weg zu mir findet. Tatsächlich bekam ich dann  zwei Tage später die ersten Unterlagen aus dem Laptopfach wieder ... Sämtliche Wege zu den Behörden wurden schon gemacht und alles gesperrt oder neu beantragt. Allerdings wurde auch meine medizinische Versorgung geklaut. Nachdem ich dies meiner Lehrerin mitteilte wurde ich am Montag nicht zur mündlichen Abiturprüfung zugelassen und zu meinem Hausarzt geschickt um einen Krankenschein abzuholen. Da ich am selben Tag noch meinen Diabetologen aufsuchte war ich sofort wieder ausreichend medizinisch versorgt und konnte am Mittwoch darauf die Prüfung nachholen. Prompt bestand ich die Prüfung und sagte am Abend dann meiner PPA (Project Partner Agreement) zu. Schlag auf schlag kamen die nächsten Schritte auf mich zu: Spenden sammeln, Reisepass abholen und dann die Papiere der Freunde durchlesen, damit ich auch ja keine Information verpasse.
Das nächste Ereignis steht kurz vor der Tür: die Bunte Republik Neustadt (BRN). Es ist das Highlight im Raum Dresden für alle jungen Menschen und eine super Möglichkeit Personen für das FSJ zu begeistern. Also rüstete ich auf - baute Schilder, richtete ein Ordnersystem in meiner Kamera ein und druckte Ordnerlisten aus. Ich fragte meine Fotografiefreundin Jenny, ob sie nicht zufällig Lust hätte mir zu helfen und sie sagte zu. Nun waren wir zu zweit super für drei volle Tage Erlebnis pur gerüstet. Wir trafen viele hilfsbereite Menschen die wir mit einiger Überredungskunst dazu bringen konnten etwas in den Klingelbeutel für das FSJ zu werfen. Damit diese auch nicht leer ausgehen gab es für jede Gruppe ein Foto als Erinnerung an die BRN. Leider ist Jenny dann am zweiten Tag so stark erkrankt, dass es nicht mehr möglich war bei den Foto-Spenden-Touren weiter mit zu machen. In dem Zusammenhang möchte ich mich erstmal sehr bei Jenny, Paula und all den anonymen Spendern von der BRN bedanken, dass ihr mich so sehr bei meinem FSJ unterstützt. Nun laufen die Arbeiten des E-Mail-Verteilers für die 160 Gruppen und mein Postfach sowie auch mein Computer kommen an ihre Belastungsgrenzen. Doch das nächste Spendenevent lässt schon auf sich warten: das Dresdner Elbhangfest.
Jenny und ich bei einer Verschnaufpause
In dem Sinne hör ich hier auf und halte euch weiterhin auf dem laufenden über die Entwicklung in den Vorbereitungen sowie das bevorstehende Vorbereitungsseminar vom 12.7. bis 21.7.2016.

Eine frohe Woche wünscht euch euer Albrecht :)

Samstag, 16. Januar 2016

Das Orientierungsseminar


Es ist nun viel Zeit vergangen und es hat sich inzwischen ein bisschen was getan. Ich habe mein Orientierungsseminar jetzt abgeschlossen und bin um einige Erfahrungen gewachsen, die ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können. 
Es ist Donnerstag Abend und ich gehe im Kopf nochmal die Liste durch: Zahnputzzeug, Handtuch, Unterhosen, Hemd, Schlafsack, Kraxe, T-Shirt, Sportzeug, Medizin, ein Buch von Fintelmann, Schulzeug zum Lernen, Ladekabel und das Akkupack für mein Smartphone. Hab ich irgendwas vergessen? Ich gehe nochmal in mich ... das Geld für die Fahrt fehlt noch ... Proviant ist auch nicht da ...  Okay. Ich denke ich hab alles zusammen. Mit einer vollen Kraxe geht es dann aus dem Haus um in Dresden zu übernachten und am nächsten Morgen früh den Sportunterricht noch mit zu machen. In der Bahn bekommt man flüchtige Blicke zugeworfen und in der Schule wird gefragt wo es denn hinginge und ob man in der Schule übernachten möchte. Die Antworten sind vom Inhalt her identisch: ich übernachte am Wochenende in der Parzival Schule in Karlsruhe - eine Waldorfschule. Man konnte schon auf die nächste Frage, warum man dort hin ginge, warten. Geduldig erklärte ich jedem immer wieder, dass ich ein FSJ im Ausland machen will und ich dafür ein Orientierungsseminar brauche. Verschwitzt und mit fusseligem Mund komme ich aus dem Sportunterricht und platze fast vor Vorfreude auf das Seminar. Ich steige in die Straßenbahn zum Bahnhof ein und mache sofort Bekanntschaft mit einem jungen Erzieher, der gerade die Waldorfpädagogik studiert hat und freut sich, dass es weiterhin junge Menschen gibt, die sich dafür interessieren. Schließlich steh ich in der Bahnhofshalle vom Dresdner Hauptbahnhof und fühle mich als hätte ich was vergessen. 

Ich hab nichts vergessen. Im Bahnhof warte ich fast eine Stunde und spreche mich via Whatsapp mit meiner Mitfahrerin Ann-Kristin ab wie wir noch jemanden finden können der mitfahren will. Ich spreche so einige fremde Gesichter an und schließlich hab ich jemanden an der Angel. Stefan muss über Hof nach Nürnberg und von dort nach Hause. Wir freunden uns an und wir treten eine wirklich sehr schöne und entspannte Reise durch ein verschneites Deutschland an. Wir steigen in Hof nach Nürnberg um; haben auf der Strecke genug Verspätung um unseren Anschlusszug zu bekommen und nehmen in Nürnberg einen anderen nach Würzburg, der eher ankommt als der Anschlusszug. Von Würzburg geht es dann nach Bietigheim-Bissingen und weiter nach Karlsruhe. In der Bahn nach Karlsruhe ruft mich meine Schwester an um mir etwas mitzuteilen und ich erwähne das Ori. Eine bisher stille Person neben uns wird hellhörig und spricht uns an ob wir auch zu den Freunden wollen. 

Wir haben Laura kennengelernt. Da wir alle drei keine Ahnung haben wie wir zur Jugendherberge kommen suche ich mit dem Handy eine Verbindung raus, aber wo müssen wir raus aus dem Bahnhof? Natürlich laufen wir in die komplett falsche Richtung und landen bei den Fernbussen statt bei den Straßenbahnen. Unterwegs zur Juhi sehen wir einige Möglichkeiten um nachher noch Abendbrot zu essen ... Schließlich sind wir da. Nur wo ist der Check-in? Niemand steht am Empfang und wir warten fast eine halbe Stunde. Irgendwann fällt uns ein Knopf auf unter der Theke wo man klingeln muss. Kaum haben wir geklingelt kommen zwei Damen aus dem Nebenraum und nehmen unsere Personalien auf um die mit der Liste der Freunde zu vergleichen. Geschafft!! Wir haben endlich eine Unterkunft und können uns in die Stadt begeben um Abendbrot zu essen. Spät in der Nacht lernen wir noch ein paar weitere Bewerber kennen und unterhalten uns noch ein bisschen. 
8:00. Der Wecker klingelt und wir kommen wie gerädert aus den Betten. Die morgendliche Routine wird von jedem ausgeführt und dann gehts ab zum Frühstück. Kaffee, Brötchen, Müsli und Saft. 

Gut genährt machen wir uns mit einem Großteil der Bewerber auf die Socken um zur Waldorfschule zu laufen. Ein wunderschöner kalter Wintermorgen der uns alle etwas schneller laufen lässt ist angebrochen und wir laufen mittendurch. Karlsruhe ist eine interessante Stadt: zwischen moderner Architektur und barocken Gärten sieht man so ziemlich alle architektonischen Epochen. 
Wir werden herzlich begrüßt und müssen als erstes unsere Schlaflager aufbauen. Kurz nach 11 sammeln wir uns alle in einem Stuhlkreis in der Aula und alle stellen sich vor ... auf spielerische Weise. Als zweites wird das Sozialspiel Ameisenkönig verbreitet und die ersten Handlung fangen an zu laufen ... ich muss meine Schuhe immer im Stuhlkreis ausziehen. Den ganzen Tag über reden wir über Waldorf und die Formen des Freiwilligendienstes. Mir persönlich würde viel Angst vor dem FSJ genommen und ich fühle mich in meiner Entscheidung gestärkt ins Ausland zu gehen. Damit die ganze Theorie nicht so ermüdend wird gibt es zwischendurch verschiedene Wups (WarmUps) die den Kreislauf wieder anregen. Der Tag vergeht wie im Flug und ich lerne viele neue Menschen kenn, die alle nur eins wollen: raus aus der Heimat und die Welt entdecken und Horizonte zu erweitern. Der Tag endet mit Ehemaligenberichten von unseren Betreuern und klingt mit einem Nachtspaziergang durch Karlsruhe und eine Bar sowie in der Nacht mit dem Spiel Werwolf aus. 

6:45 und der Wecker klingelt nach 4,5 Stunden Schlaf. Ich bin einer der ersten die aufwachen und duschen gehen, denn so hab ich mehr Zeit dafür. Die anderen Bewerber die auch schon wach sind stehen langsam auf und wir helfen den Betreuern das Frühstück vorzubereiten. Wir haben einen strengen Zeitplan, da die Berater der Freunde jeden Moment kommen und uns nochmal prüfen, ob wir dieses Auslandsjahr wirklich wollen. Bei mir ist alles klar und davon konnte ich auch den Berater überzeugen. Wir bekommen Tipps und Tricks für unsere Bewerbungen und das Unterstützerkreiskonzept. Schließlich wird auch dieser Punkt abgeschlossen und die Bewerber zerstreuen sich wieder in alle Himmelsrichtungen ... aber nicht ohne in eine Whatsappgruppe zu treten, damit wir alle in Kontakt bleiben können. Wir fahren geschlossen zum Hauptbahnhof und steigen in unsere Busse oder Züge ein. Die Heimfahrt dauert bei uns ca. 8,5 Stunden. Um diese lange Zeitspanne zu überbrücken hören wir Musik, lesen Bücher und schlafen schonmal Schlaf vor. Aus allen Ecken von Deutschland kommen Meldungen rein, dass man gut angekommen ist oder der Bus/ Zug sich verspätet hat. Letztendlich kommen wir auch in Dresden an und gegen 0:30 steh ich dann vor meiner Unterkunft. Ich werde freundlich begrüßt und die Augen schließen sich schon fast automatisch. 

In dem Sinne: eine gute Nacht und wir hören uns bei weiteren Neuigkeiten. 

Euer Albrecht